SOZIALRÄUMLICHE ALTERNATIVEN IM STADTTEIL

Diejenigen, die in schwierigen Situationen Hilfe suchen und diejenigen, die sich für die Verbesserung der Lebensqualität einsetzen, stehen im Zentrum der Entwicklung des Stadtteils. Hilfe ist am wirksamsten, wenn die eigenständige Handlungsfähigkeit gemeinsam mit anderen in der Lebenswelt gestärkt wird. Aber auch in Situationen, die nicht durch Not geprägt sind, braucht es Orte an denen die Bewohner:innen im Stadtteil kooperieren, debattieren und gemeinsam ihre Freizeit gestalten können.

Vor dem Hintergrund der Beobachtung, dass

• Hilfen häufig die Personen nicht erreichen, die sie brauchen,

• Kinder/Jugendliche aus Stadtteilen mit einem hohen Grad prekärer Lebenslagen, die nicht mehr zuhause wohnen können oder sollen, häufig auswärtig, also in anderen Bundesländern, untergebracht werden und

• die vorhandenen Ressourcen im Stadtteil besser genutzt werden könnten,

hat die Stadtteilgenossenschaft Horn (i. Gr.) folgende Vorschläge.



Schaffung eines Netzwerkes aus „Horn-Expert:innen“

„Horn-Expert:innen“ – aus der Bevölkerung und der sozialen Infrastruktur, wie dem ASD – treffen sich in regelmäßigen Abständen und verständigen sich darüber, „was in Horn los ist“. Für das Netzwerk gewonnen werden sollen u.a. Mütter bzw. Eltern und Jugendliche, die Erfahrungen mit dem Jugendamt und „Hilfen zur Erziehung“ (HzE) haben und die bereit sind, ihre Erfahrungen an Familien in konfliktgeladenen Situationen weiterzugeben und auf diesem Wege ggf. schon andere Möglichkeiten der Entlastung in solchen Situationen zu finden als eine formale Hilfe zur Erziehung. HzE-erfahrene Eltern und Jugendliche haben einen besonderen Blick auf den Stadtteil und wissen um manchmal auch versteckte Ressourcen der Unterstützung. Es sollen Alternativen geschaffen werden, die aus der Perspektive der Betroffenen akzeptierter sind.

Als fachliche Leitlinie gilt dabei: Weder die Professionellen noch die Bewohner:innen alleine wissen, was zu tun ist. Dies kann nur gemeinsam und situationsspezifisch erarbeitet werden und dafür braucht es die Kapazitäten einer übergreifenden Netzwerkarbeit von „Horn-Expert:innen“. Diese müssen über Mittel verfügen, um die Ergebnisse ihrer Erarbeitung auch in die Tat umsetzen zu können – wie z.B. die Unterbringung eines Kindes in einer Paten-Familie.

Lebensweltnahe Unterbringung in Horn

Aufgrund der aktuellen Finanzierungs- und Verteilungsmechanismen in der Kinder- und Jugendhilfe werden Kinder und Jugendliche nach §§34 und 35 SGB VIII (viel zu) häufig auswärtig untergebracht. Auf diese Weise werden sie jedoch nicht nur von ihrer Familie, sondern von ihrer gesamten Lebenswelt entkoppelt. Einen belastenden Wechsel der Lebenswelt erleben Kinder, die in Horn leben, schon in St. Georg, Hammerbrook oder Wilhelmsburg – weil sie dort nicht zur Schule gehen, keine Freunde haben, keine weiteren Bezugspersonen oder den Sportverein oder das Haus der Jugend.

Im Jahr 2022 wurden bisher 92 Kinder und Jugendliche nach §34 SGB VIII untergebracht. 38 Kinder und Jugendliche, das sind 41,3%, von ihnen wurden außerhalb Hamburgs untergebracht, nur 2 von ihnen (2,17%) in Horn. (Quelle: JUS-IT Data Ware House, Datenbestand vom 19.11.22)

Es gibt verschiedene und es kann gute Gründe geben, warum ein Kind oder Jugendlich/e (temporär) nicht mehr bei seinen Eltern leben kann oder sollte. Dies müsste jedoch nicht zwangsläufig mit einer Fremdplatzierung oder gar einer auswärtigen Unterbringung einhergehen.

Wenn ein Kind in seinem Sozialraum untergebracht wird, haben die Mitarbeiter:innen alle Möglichkeiten lebensweltorientiert zu arbeiten. Unter diesen Bedingungen ist es möglich, die Zusammenarbeit mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen, die Nutzung der Ressourcen im Stadtteil jenseits der Familie, die Möglichkeiten der Unterbringung in Krisen-Wohnungen, bei Paten-Familien oder in anderen, auch unüblichen Wohnarrangements zu fundieren. Es braucht dafür jedoch verlässliche und verbindliche Orte und Kooperationen im Stadtteil.

Die Nutzung der Ressourcen im Stadtteil, um Konfliktsituationen nachhaltig zu bearbeiten, setzt eine Zusammenarbeit mit ambulanten sozialen Diensten/Einrichtungen sowie die Kooperation mit Kitas, Stadtteilzentren und Jugendverbänden im Sinne von gemeinsamen Angeboten und demokratischer Jugendhilfeplanung voraus. Der Stadtteil Horn bringt mit seinen vielfältigen Einrichtungen die Voraussetzung für die Schaffung solch verlässlicher Orte und Kooperationen mit.

Um die auswärtige Unterbringung Horner Kinder zu vermeiden und Möglichkeiten zu schaffen, dass Kinder und Jugendliche in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können, wollen wir wohnortnahe Lösungen in Kooperation mit den Bewohner:innen Horns und den vorhandenen Einrichtungen finden.
Die Stadtteilgenossenschaft soll dafür da sein, diese Kooperationen zu ermöglichen.

Stärkung der Selbstorganisation von Kindern und Jugendlichen

Der neue § 4a SGB VIII des nun so genannten Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, sieht explizit die Stärkung der Selbstorganisation von Kindern und Jugendlichen vor.

In ihm werden die Träger der Jugendhilfe verpflichtet, die Selbstorganisation von Jugendlichen zu unterstützen. Dies hat Potential, demokratische Bildungsprozesse in einem sonst sehr stark Hilfe-lastigen Kinder- und Jugendgesetz zu stärken. Also all dies, was Kinder und Jugendliche für ein gelingendes Aufwachsen brauchen, auch jenseits einer akuten Notlage.
Insbesondere in der Pandemiezeit wurden die Interessen der Kinder noch weniger beachtet als sonst.
In einem ersten Schritt wollen wir die Interessen der Kinder und Jugendlichen herausfinden, ernstnehmen und gemeinsam mit ihnen nach Realisierungsmöglichkeiten suchen.

Um ihre Interessen gemeinsam umsetzen zu können, wäre perspektivisch ein sozial-räumliches Budget denkbar. Das Budget stünde den Kindern und Jugendlichen für ihre Aktivitäten zur Verfügung (z.B. 50 Euro pro Jugendliche:r), über das sie gemeinsam demokratisch verfügen können. Mit Unterstützung der Jugendeinrichtungen und -organisationen im Stadtteil wäre eine demokratische Entscheidungsfindung über die Mittel denkbar. Dies wäre ein mobilisierender, nicht-diskriminierender Zugang zu den vorhandenen Ressourcen in der Jugendhilfe.